Lyrik
Wir sitzen im launischen Gras. Ich küsse
dein Genick. Ein Sommerhut
aus Tulpen, das aus der Pfütze trinkende Tier.
Spaziergang im blassen Wind
des April. Wie ein junger Hund
drücke ich mich an dich. Dein Gesicht
um Jahre entfernt. Die Gräser,
Zerbrechlichkeit unserer Worte zur Stunde
des Amselgesangs.
Noch spüre ich Kälte. Wolken schleichen
über uns hinweg. Die Sonne hängt still
in den Ecken deines Mundes,
unter deinen Nägeln
klebt etwas Klee. Diese Stille zwischen uns,
besessen vom Bereich
unserer Hände. Die Vögel im Baum -
meine Komplizen.
veröffentlicht in Nur das Verlorene bleibt, hochroth 2020
Bin unsanft aus deinen Augen
gewischt. Schatten besiedeln das Land.
Nur Worte als Spannung. Küsse
als Anomalie. Hinter dem Horizont
kehren Töne zurück.
Tusche fließt über das Bild.
Ein Segel bricht. Licht
an den Hängen. Die Mitte fließt schneller
davon. Am Ufer, zerflossene
Farben. Gespenstergesänge,
von Möwen vertont.
Hinter den Wolken
lauern Zeppeline
mit einer Botschaft.
veröffentlicht in „Rhein Nr. 23“, 12/2021
Graues Gebiet
I.
Ich halte euer Bild in der Hand.
Durch eure Kindheit fährt ein Zug.
Unter der Brücke blinken Räume.
Berge rollen heran. Die Sonne sinkt
in die Arme der Gleise.
Aus Schieferdächern wachsen Türme
in das Wolken verhangene Tal. Hinter den Zäunen:
Gespenstergesänge. Der Wald, eingenäht in Abend-
land. Hundert Jahre. Noch taumelt die Stille
der Stühle, schüttelt Zeit seine Träume aus.
Der See. Ein Fenster zur Erde.
(…)
IV.
Ich blicke ins Tal und wage nicht
den Abstieg. Von den Höfen
hallen Kinderrufe in den grünen Schlund
des Dorfes. Nachbarn im Austausch
über die verlorene Zeit.
Wie ein Echo, der ferne Zug.
Das Wetter ist heute woanders. Es regnet
im Kopf, und in meinem Blick fehlen die Jahre.
Die kleine Straße am anderen Ende
der Brücke
kehrt nicht wieder zurück.
(…)
VIII.
Ungeboren wusstet ihr bereits,
dass es mich gibt. Euer Plan, eine Folge zu bilden,
ihr nanntet sie Zukunft, gegründet in eurem zugefrorenen Tal.
Die Geschichten, die ich von euch gehört habe, bleiben
voller Lücken. Einmal ins Zimmer gesperrt, werden sie alt
wie die Bilder, die es von euch gibt.
Es herrscht eine andere Landschaft nebenan, die Bilder erleichtern
die Zeit, wir waren einmal vorhanden
und kannten einander nicht.
(…)
Veröffentlicht in: „Risse und Welt“ (Anthologie), Axel-Dielmann-Verlag 2023
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